Projekt „Meine Gedanken und mein Gesicht erzählen vom Frieden!“ im Rechenzentrum gestartet
Die Daten im Überblick:
Was: Künstlerisch-soziales Projekt „Meine Gedanken und mein Gesicht erzählen vom Frieden! Schaffung von Erzähl-Galerien von und mit MigrantInnen und SchülerInnen“
Zeitraum: Februar bis Dezember 2020
Wo: Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum (kurz: RZ) u.a.
Leitung und Künstlerin: Katrin Seifert
Träger: Social Science Works gUG
Kooperationspartner: Flüchtlingshilfe Babelsberg/Erzähl-Café, Social Science Works gUG, Andrea Werner/Medienexpertin, Alexander Deutsch/angehender Iranist, RAA/START-Projekt
Sponsor: Zahnarztpraxis Spur aus Potsdam-West
Das Projekt wird mit Mitteln des Bündnisses für Brandenburg gefördert.
Was ist eine Erzähl-Galerie?
Der Name „Erzähl-Galerie“ leitet sich vom „Erzähl-Café“ im RZ ab, denn die Protagonisten sind zum großen Teil BesucherInnen des Cafés.
Im großen Raum des KunstOrbits werden vom 02.07.-26.07.2020 handgemalte Portraits, sog. „Friedensgesichter“ von MigrantInnen zu sehen sein, gemalt durch die Künstlerin Katrin Seifert. Jedes Portrait wird durch eine selbstgeschriebene Geschichte der Gezeigten ergänzt. Dabei geht es um Befindlichkeiten im Hier und Jetzt, durch das Leben in Brandenburg und im Frieden, kurz „Friedensgeschichten“.
Die zwei kleineren Räume werden die TeilnehmerInnen mittels Körperbilder, die miteinander zu Wandbildern interagieren, gestalten. Dazu verhilft ein Körperbilder-Workshop, der an den Wochenenden davor durchgeführt wird.
Das Ganze wird dann durch die Medienexpertin dokumentiert, auf Leinwände gebracht und transportfähig gemacht. „Mit diesen ca. 15 großen Leinwänden gehen wir in die Öffentlichkeit, so z.B. in die Landesbibliothek. Wir sind für weitere Ausstellungsorte offen“, meint Katrin Seifert.
Hanau zeigt es bitter: Rassismus führt zum Verlust des Mitgefühls!
Deshalb unterstützt die Staatskanzlei Brandenburg durch das Bündnis für Brandenburg seit Februar bis Ende des Jahres 2020 das Projekt „Meine Gedanken und mein Gesicht erzählen vom Frieden! Schaffung von Erzähl-Galerien von und mit MigrantInnen und SchülerInnen“ im Rechenzentrum (RZ) und darüber hinaus.
„Seit einem dreiviertel Jahr habe ich um Mittel gekämpft“, erzählt Katrin Seifert, die Projektleiterin, „bin von Förderstelle zu Förderstelle gelaufen, um mein Projekt vorzustellen. Und jede Begegnung war eine Bereicherung, denn ich erhielt neue Kontaktmöglichkeiten und Tipps. Nun sind wir sehr, sehr froh, dass dieses Integrationsprojekt gefördert wird!“ Von Anfang an war es ihr wichtig, solch ein Projekt mit PartnerInnen durchzuführen. „Als Selbständige arbeitet man oft alleine. Deswegen genieße ich die Zeit, in der ich mit anderen zusammen etwas bewegen kann.“
Ziel und Ablauf
Ziel ist es, gemeinsam eine „Erzähl-Galerie“ an die Wände und deren Ergebnisse in die Brandenburger Öffentlichkeit zu bringen.
Dieses Projekt läuft mehrstufig: Im 1. Schritt werden Friedensgesichter gemalt. Wie zeigen sich die MigrantInnen heute? Die Individualität der Gemalten wird dadurch aufgewertet. „Schon jetzt treten die TeilnehmerInnen an mich heran und bitten darum, so oder so gemalt zu werden“, verrät die Künstlerin schmunzelnd. Dann werden in einem Schreibworkshop Friedensgeschichten oder –gedichte aufgeschrieben. Was ist den TeilnehmerInnen hier in Brandenburg passiert? Wie leben sie? Wovon träumen sie? Im Juni folgt der 3. Schritt: Durch Körperbilder können sich die MigrantInnen auf eine spezielle Art zeigen. Collagen erzählen von Familie, Träume, Wünsche, Sichtweisen. Gemeinsam wird dann als 4. die Erzähl-Galerie gestaltet. Der 5. Schritt ist der Auftritt in der Brandenburger Öffentlichkeit. „Den 6. Schritt mussten wir leider aus finanziellen Gründen weglassen. Wir wollten in Potsdamer und Brandenburger Schulen eigene Erzähl-Galerien initiieren. Aber vielleicht klappt das ja mit einer neuen Förderung?“ hofft Katrin Seifert.
So wird es am 02.07.2020, 18:00 Uhr eine Vernissage der „Erzähl-Galerie“ im KunstOrbit des Rechenzentrums geben. Schon heute sind alle LeserInnen eingeladen.
Zum Hintergrund
Das Erzähl-Café der Flüchtlingshilfe Babelsberg ist nun seit 1,5 Jahren im RZ zu finden. Woche für Woche lädt es z.B. donnerstagabends, 17:00 Uhr MigrantInnen zum Treffen ein. Hier wird gespielt, Deutsch oder Hausaufgaben geübt, sich ausgetauscht. Die Besucherzahlen wachsen stetig. Das Erzähl-Café liegt Tür an Tür mit Social Science Works gUG, ein sozial-orientiertes und gemeinnütziges Unternehmen in Potsdam, das sozialwissenschaftliche Forschung und Erkenntnisse für zivilgesellschaftliche und demokratische Entscheidungsfindungsprozesse nutzbar macht, und dem Atelier 108 der Bildenden Künstlerin Katrin Seifert. Doch Kontakt zwischen den Besuchern des Erzähl-Cafés und den anderen gab es kaum. Das bestätigt den Trend:
„Flüchtlinge leben oft in Übergangssituationen. Sie wissen nicht, ob sie gehen müssen oder bleiben können. Die neue Sprache ist meist rudimentär. Sicherer fühlen sie sich in ihrer nationalen Gemeinschaft. Unsicherheit lässt sie nur schwer Kontakt zur hiesigen Bevölkerung aufnehmen. Laut Demos-Newsletter vom 18.06.19 gehören „fehlende soziale Integration und psychische Probleme“ zu den fünf größten Hürden.
Deutsche nehmen die Neuen so meist nur als unpersönliche Masse wahr, unbekannt (und gar bedrohlich). Eine beidseitige Öffnung tut Not.
Hier kommt die Kunst ins Spiel! Kunst gibt keine Antworten, sondern stellt Fragen und vermittelt neue Blickwinkel.“ (aus dem Konzept)
Katrin Seifert wurde auf die BesucherInnen immer neugieriger: Wie geht es ihnen hier in Potsdam? Was machen deren Familien? Leben sie nun ruhiger? Welche Ängste, welche Nöte haben sie? Worüber freuen sie sich? Was bewegt ihr Leben? Sie hatte Lust, dies auf ihre Weise sichtbar zu machen, auch damit sich beide Seiten (Aus- und Inländer) gegenseitig öffnen, kennenlernen und annähern können.
Ein Kooperationsprojekt
Da kam die Anfrage der Leiterin vom Erzähl-Café der Flüchtlingshilfe Babelsberg, Kathrin Matejat, gerade recht: Sie sprach die Malerin Katrin Seifert aufgrund von Portraits, die in der 1. Etage des RZs hängen an, ob sie nicht Lust hätte, von Besuchern des Erzähl-Cafés ebenfalls Portraits zu malen? Das hatte sie! Doch es fehlten finanzielle Mittel. So entwickelte Katrin Seifert in Abstimmung mit Kathrin Matejat und Prof. Hans Blokland, Geschäftsführer von Social Science Works gUG, der letztendlich die gemeinnützige Trägerschaft übernahm, das Projekt weiter.
Alexander Deutsch ist angehender Iranist und bringt eine große Leidenschaft für persisch- und arabischsprachige Kulturräume mit. Er verfügt über sehr gute Kenntnisse beider Sprachen. In der Vergangenheit arbeitete er für The Poetry Project e.V., das mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund Gedichte erarbeitete. Er wird im Projekt Erzähl-Galerien mit den TeilnehmerInnen Friedensgeschichten aufschreiben. Friedensgeschichten sind Alltagsstories vom Hier und Jetzt oder Morgen in Brandenburg.
Andrea Werner, Fotografin und Malerin ebenfalls aus dem RZ, bringt als Medienexpertin ihre Kompetenzen mit ein und dokumentiert alles und bringt es auf transportable Tafeln, mit denen später in die Öffentlichkeit gegangen wird.
Neben den Geschichten werden die TeilnehmerInnen auch künstlerisch-handwerklich gefordert: Im Körperbilder-Workshop gestalten sie Wandbilder, indem sie sich lebensgroß so abbilden, wie sie gesehen werden wollen. „Das ist eine mehrfache Herausforderung“, meint Katrin Seifert, „denn es geht um Selbst-Bewusstsein, Sich-Zeigen, auch Auftreten und mit anderen Kulturen interagieren. Denn letztendlich werden die TeilnehmerInnen selber die Ausstellung betreuen, um mit BesucherInnen ins Gespräch zu kommen. Übrigens wird es hierbei auch eine Kooperation mit dem START-Projekt von RAA geben: SchülerInnen mit Migrationshintergrund nehmen ebenfalls teil.
Wir wollen zeigen, welche Bereicherung Brandenburg durch den Zuzug von MigrantInnen erfährt“, unterstreicht Katrin Seifert, „aber auch Ängste vor dem Fremden abbauen. Denn wenn ich merke, dass Mahdi mit der Fahrerlaubnisprüfung kämpft, Alhag sich um eine Wohnung bemüht, Sakhidad sich mit Freunden trifft, um über das Leben zu diskutieren, dann sind das alles Dinge, die wir Deutschen auch kennen, und ganz normal.“
Durch die künstlerische Arbeit (Sprache und Gestaltung) wird die vermeintliche Sprachlosigkeit von den TeilnehmerInnen überwunden. Sie können sich differenzierter ausdrücken und zeigen, wer sie wirklich sind.
Und nebenbei kooperieren so verschiedenste Parteien aus dem RZ interdisziplinär. Das RZ ist das kulturelle und künstlerische Herz Potsdams!
Zur Projektleiterin und Künstlerin
Katrin Seifert, Jahrgang 1962 studierte von 2014-2018 an der Schule für Bildende Kunst und Gestaltung in Berlin Malerei und Kulturelle Bildung und schloss mit Zertifikat ab. Seit 2015 begleitet Katrin Seifert die Aktionen im Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum. Seit Oktober 2016 arbeitet sie nun dort in einem eigenen Raum (Atelier 108) und bringt sich ehrenamtlich in die AG Ausstellung ein.
Sie absolvierte Ausbildungen zur Kunst- und Kreativitätstherapeutin (IEK) und zur Trainerin für Sensitivitäts- und Ausdrucksmalen und bietet Kurse an, in denen sich Experimentierfreudige in den Dialog mit Farben begeben können.
Katrin Seifert initiierte das „Aktzeichnen für alle“ im Rechenzentrum. Dieses wird seit 2017 monatlich fortgesetzt.
Seit 2016 ist sie Mitglied bei crossart international. Seit 2018 bei den Urban Sketchern Potsdam.
Ihre Bilder werden durch die VG Bild-Kunst vertreten.
Katrin Seifert arbeitet seit Jahrzehnten ehrenamtlich für Kinder und Jugendliche. Dabei hilft ihr auch ihre Ausbildung als Trainerin und Coach. „Nur in einer friedlichen Welt können sich die Menschen optimal entwickeln. Der soziale Frieden in Brandenburg kann nur erhalten werden, wenn jedem Bürger klar ist, dass jeder Recht auf eine eigene Weltsicht hat. Freiheit ist immer die Freiheit der anderen. Mit unserer Aktion wollen wir zeigen, dass unsere NeubürgerInnen Menschen wie du und ich sind und viele Potenziale haben, die sie in unsere Gesellschaft einbringen können.“
Pressekontakt: Katrin Seifert ks-at-katrinseifert-art.de